Champagner wird nach der Traditionellen Flaschengärung hergestellt. Was macht diese Herstellungsmethode aus? Welche Prozesse stehen dahinter? Und welche Möglichkeiten hat der Winzer für individuelle Einflussnahme?
Die Traditionelle Flaschengärung ist ein Verfahren zur Herstellung von Schaumwein. Sie definiert, dass die zweite Gärung in der Flasche stattgefunden hat. Die Entwicklung und Perfektionierung dieses Verfahrens dauerte mehr als 200 Jahre. Anfangs war diese zweite Gärung eine unerwünschte und negativ bewertete Nachgärung, die teilweise während dem Ausloten der Möglichkeiten zur Weinkonservierung erfolgte. Im Laufe der Zeit wurde daraus jedoch eine Produktphilosophie. Nach der Entdeckung der Hefen als verantwortlichem Organismus für die Gärung folgte die Bestimmung der geeigneten Zugabe an Zucker für die zweite Gärung. Grundlegend war auch das Entwickeln stabiler Flaschen und dem elastischen Korkverschluss, der schließlich mit der Agraffe so befestigt werden konnte, dass die Flaschen dem Druck standhielten. Es waren also viele kleine Schritte notwendig, die das Verfahren stabil und kontrollierbar machten, bis hin zum Jetting, das aus der Bierindustrie übernommen wurde und das beim Abfüllen hilft, den Sauerstoffkontakt zu verringern.
Traditionelle Flaschengärung ist der deutsche Begriff für dieses Verfahren, international wird häufig auch die französische Bezeichnung Méthode traditionnelle verwendet. Méthode champenoise meint ebenfalls dasselbe, darf aber nur in der Champagne verwendet werden. Es gibt also in der ganzen Weinwelt Schaumweine zu finden, die mit diesem Verfahren hergestellt wurden und einen entsprechenden Hinweis auf dem Etikett tragen. Von Champagner, über Crémant und Winzersekt, aber auch Cava, Franciacorta und Trento DOC.
Schauen wir uns dieses Verfahren nun im Detail an. Denn das Prinzip ist relativ schnell erklärt. Es gibt jedoch viele Feinheiten, Entscheidungen des jeweiligen Winzers, die das Ergebnis maßgeblich beeinflussen und so ein individuelles Produkt schaffen.
Die Ernte
Startpunkt ist die Ernte, die die Trauben in den Keller bringt. Diese erfolgt in der Regel Ende August bis Anfang September. In der Champagne wird grundsätzlich von Hand gelesen. Viele, vor allem junge, Champagnerwinzer legen heute ein großes Augenmerk auf die Arbeit im Weinberg und das Lesegut. Der Ernte kommt somit eine zentrale Bedeutung zu, um bestmögliches Traubenmaterial als Basis zu haben, das anschließend im Keller weniger Einflussnahme und etwaige Fehlerkorrektur benötigt. Demnach ist der Zeitpunkt ebenfalls sehr entscheidend. Zum einen sollte der potenzielle Mindestalkoholgehalt erreicht werden und die gewünschte Aromenreife erreicht sein. Zum anderen sollten die Trauben nicht zu reif sein, da durch die zweite Gärung der Alkoholgehalt nochmals steigt. Zudem wird hier die Säure und der pH-Wert definiert, die dem Schaumwein das Rückgrat geben, zu sauer sollte der Charakter des Weines aber auch nicht sein. Der pH-Wert gibt also den Säuregehalt an, je niedriger, desto höher die Säure, der Wert 7 ist neutral.
Wenn der für den jeweiligen Winzer richtige Zeitpunkt erreicht ist, muss es dann durchaus schnell gehen. Viele Winzer arbeiten daher jedes Jahr mit den gleichen Ernteteams. Je nach Witterung müssen zusätzlich noch Krankheiten wie Pilzbefall oder die Kirschessigfliege in Schach gehalten oder vorgebeugt werden.
Die Erntemenge und der dazugehörige Höchstertrag wird jedes Jahr vom Champagnerverband CIVC (Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne) festgelegt. Sie ist die berufsübergreifende, halbstaatliche Vereinigung der Champagner Häuser und Winzer. Sie steuert so die Menge auf dem Markt und reagiert auf Markteinflüsse wie Covid, Wettereinbußen etc. Diese Vorgaben können für den einzelnen Winzer jedoch schwierig sein, da nicht jeder gleich betroffen ist, so aber trotzdem zum Teil im Wachstum begrenzt wird.
Pressen
Nach dem Transport zur Kelter werden die Trauben einer Ganztraubenpressung unterzogen. Bei dieser Art der Pressung werden die Trauben gepresst, ohne sie vorher zu quetschen. Traditionell wurde dafür eine Coquard-Presse, eine breite und flache Holzkorbpresse, verwendet, die selbst heute häufig noch zum Einsatz kommt. Auch hier ist die maximale Menge, die gewonnen werden darf, gesetzlich vorgegeben und beträgt 2.550 Liter aus 4.000 kg Trauben. Das entspricht 625 ml auf 1 kg. Dabei werden mehrere Pressvorgänge vorgenommen und unterschieden. Die Cuvée ist der Saft, der bei der ersten, meist sehr schonenden Pressung gewonnen wird. Es sind maximal 2.050 Liter auf 4000 kg erlaubt. Der Saftanteil, der in der 2. und 3. Pressung mit nochmal maximal 500 Litern gewonnen wird, nennt sich Taille. Sie enthält aufgrund des höheren Pressdrucks mehr Bitterstoffe, Gerbstoffe sowie weniger Säure. Viele Produzenten stufen die Qualität der Taille als geringer ein und verwenden sie daher nicht zur eigenen Produktion, sondern verkaufen sie. Doch wenn die Taille von sehr reifen und gesunden Trauben stammt, dann ist der Qualitätsverlust nicht so relevant. Die Verwendung der Taille, oder ein Teil von ihr, stellt dann eine interessante Option für das Verschneiden der Grundweine dar.
Nach dem Pressen erfolgt eine Vorklärung zur Reinigung der Moste von gröberen Trubstoffen wie Erde, Staubpartikel oder Pektine (Fruchtfleischmoleküle). Diese setzen sich innerhalb von 12 bis 24 Stunden am Boden des Gärbehälters ab und der Most kann oberhalb „abgestochen“ und umgefüllt werden.
1. Gärung
Analog einem Stillwein bezeichnet die erste (alkoholische) Gärung die Umwandlung von Zucker zu Alkohol durch Hefe. In den allermeisten Fällen sind das Reinzuchthefen, die speziell für die Weinerzeugung selektioniert und künstlich vermehrt werden. Der Vorteil von solchen Hefestämmen ist, dass die Gärung zuverlässig und kontrolliert abläuft. Die Alternative ist die sogenannte spontane Gärung. Hier verrichten wilde Hefen aus dem Keller die Arbeit des Vergärens. Sie sind jedoch oft nicht so leistungsfähig oder vergären die Weine teilweise nicht vollständig. Deshalb werden auch in diesem Verfahren häufig nach dem spontanen Start der Gärung noch Reinzuchthefen hinzugefügt, jedoch in einem deutlich geringeren Maß. Die Vorteile der spontanen Gärung sind die etwas geringeren Alkoholgehalte sowie die höhere Individualität, da jede Hefeart einen gewissen aromatischen Einfluss hat und sie von den einheitlichen Reinzuchthefen abweichen.
Das Ergebnis der ersten Gärung ist der Vin Clair, ein trockener, stiller Grundwein.
Schon bei der ersten Gärung und dem Ausbau des daraus folgenden Grundweins gibt es verschiedenste Möglichkeiten für den Winzer, den Wein zu beeinflussen.
Verschneiden / Assemblage
Im nächsten Schritt werden die verschiedenen Grundweine aus unterschiedlichen Regionen, Weinbergen, Rebsorten, Ausbauvarianten und Jahren zum Grundwein, dem Vin Clair, eines Champagners verschnitten bzw. cuvetiert. Dieses Zusammenfügen oder Komponieren von mehreren Weinen zu einem wird auch als Assemblage bezeichnet. Eine Kunst für sich, die dem Winzer ermöglicht, seine ganz eigene Handschrift mit einfließen zu lassen. Insbesondere der Einsatz oder auch der bewusste Verzicht von Reserveweinen ist hier maßgebend. Diese Weine aus früheren Jahrgängen verleihen eine höhere Reife und Komplexität und machen die Champagner früher zugänglich.
Tirage
Nach der Assemblage wird der Vin Clair zusammen mit dem Liqueur de Tirage für die zweite Gärung in Flaschen abgefüllt und mit einem Kronenkorken verschlossen. Der Liqueur de Tirage besteht im Wesentlichen aus Zucker (Rübenzucker, Rohrzucker oder eingekochtes Traubensaftkonzentrat) und Hefe. Er ist für die zweite Gärung unverzichtbar. In der Regeln werden pro Liter 24 Gramm Zucker hinzugefügt. Durch die Vergärung des Zuckers entsteht in der Flasche ein Druck von 7 bis 8 Bar und zusätzlich Alkohol von ca. 1,3 Vol.-%. Manche Winzer reduzieren die Menge bewusst (bis zu 18 Gramm pro Liter), um dadurch einen geringen Druck und Alkohol aufbauen. In der Regel werden zu diesem Zeitpunkt noch Rüttelhilfen, wie z. B. Bentonit, in die Flasche gegeben. Bentonit ist eine natürlich vorkommende Tonerde, die das spätere Entfernen der Hefe aus der Flasche erleichtert. Weiterhin kommen oft noch Hefenährstoffe mit in die Flasche, damit die Hefen zuverlässig ihre Arbeit verrichten und den gesamten Liqueur de Tirage aufbrauchen.
Der frühestmögliche Zeitpunkt für die Tirage ist der 1. Januar des Folgejahres. Viele Winzer füllen jedoch erst später ab, um dem Grundwein mehr Zeit zum Entwickeln und Stabilisieren zu geben (siehe Ausbau). So erfolgt die Tirage bei vielen qualitätsorientierten Winzern im Frühsommer, Sommer oder teils auch erst kurz vor der Ernte. In ganz seltenen Fällen, lassen Winzer den Weinen noch länger, bis hin zu einem weiteren Jahr, Zeit.
2. Gärung und Hefelager
Für die zweite Gärung und Lagerung kommen die Flaschen in den kühlen Keller. Sie geht aufgrund der geringen Temperaturen von nur rund 12°C deutlich langsamer vonstatten und hat eine gesetzlich festgelegte Mindestdauer von 12 Monaten (Jahrgangschampagner sogar mindestens 3 Jahre). Wobei diese Zeit nicht nur die zweite Gärung, sondern auch das Hefelager umfasst. Denn nachdem die Hefe die Gärung nach zwei bis drei Wochen durchgeführt, also den verfügbaren Zucker verbraucht hat, stirbt sie aufgrund mangelnder Nahrungsgrundlage und setzt sich am Boden der Flasche als Depot ab. Nach rund 10 Monaten beginnt sie sich zu zersetzen, ein Prozess der als Autolyse bezeichnet wird und die sogenannten Autolysearomen hervorbringt. Diese erinnern an Hefe, Brioche, Nüsse, weiße Blüten oder getoastetes Brot. Bei längerer Hefelagerung ab ca. 10 Jahren entwickeln sich Noten von kandierten Früchten, Pilzen, Waldboden, Tabak, Mokka und Kaffee. Zusätzlich erhält der Champagner so einen volleren Körper und ein cremigeres Mundgefühl.
Das Hefelager kann ebenfalls als maßgebendes stilistisches Mittel eingesetzt werden. Für einen frischeren und fruchtbetonten Stil wird diese Zeit eher kürzer gewählt, für einen komplexen und reifen Stil sind Hefelager von mehreren Jahren keine Seltenheit.
Remuage / Rütteln
Bevor die Champagner degorgiert, also das Hefedepot der zweiten Gärung entfernt werden können, erfolgt der Prozess der Remuage, bei uns besser als Rütteln bekannt. Während des Hefelagers werden die Flaschen liegend gelagert, der Hefesatz lagert sich als Depot am Boden ab. In diesem Verfahren wird der Hefesatz nun vom Boden gelöst und in den Flaschenhals befördert. Dazu kommen die Flaschen traditionellerweise in ein speziell dafür vorgesehenes Rüttelbrett. Anfangs sind sie hier noch recht horizontal ausgerichtet, werden jetzt aber über drei Wochen jeden Tag leicht von Hand gedreht und mit dem Flaschenhals nach unten aufgerichtet, so dass der Hefesatz langsam in den Flaschenhals rutscht. Heute kommen für diesen Prozess oft sogenannte Gyropaletten zum Einsatz, die ihn maschinell steuern. Diese Paletten haben auch einen entscheidenden Zeitvorteil - während die Remuage im Rüttelpult etwa vier Wochen dauert, braucht die Palette nur eine Woche.
Degorgieren & Dosage
Degorgieren ist dann der Prozess, mit dem das Hefelager nach der zweiten Gärung aus der Flasche entfernt wird. Dies geschieht maschinell (Dégorgement à la Glace) oder manuell (Dégorgement à la Volée). Bei der maschinellen Variante wird der Flaschenhals mithilfe eines -20 °C kalten Solebads eingefroren. Anschließend wird der Kronkorken entfernt und der durch die Kohlensäure entstandene Druck schießt den Eispfropfen aus der Flasche. Die manuelle Methode erfolgt per Hand und nennt sich auch Warmdegorgieren, da hier das Hefedepot nicht eingefroren wird. Dafür wird die Flasche kopfüber mit einem speziellen Öffner (dégorgeuse) geöffnet. Diese Variante erfordert viel Geschick und Erfahrung, da die Schwierigkeit darin besteht, die Hefe vollständig zu entfernen ohne dabei zu viel Champagner zu verlieren.
Anschließend erhält der Champagner seine Versanddosage (liqueur d'expédition), mit der die Flasche wieder auf das ursprüngliche Füllniveau aufgefüllt und erneut verschlossen wird. Die Dosage ist ein Gemisch aus Wein und Zucker. Verwendet werden Rübenzucker oder Rohrzucker, in den letzten Jahren kommt auch rektifiziertes Traubenmostkonzentrat (eingekochter Traubensaft) zum Einsatz. Alle die Varianten zum Süßen haben neben der Süße kaum weitere sensorische Eigenschaften.
Der verwendete Wein kann dem Champagner jedoch noch mal eine besondere Note und mehr Komplexität verleihen. Manche Produzenten betreiben für diesen Wein einen großen Aufwand und lagern ihn über viele Jahre in Holzfässern. Andere verwenden dagegen einen neutralen, frischen Wein aus dem aktuellen Jahr.
Über die verwendete Zuckermenge wird die finale Süße des Champagners eingestellt. Der Winzer entscheidet hier, welchen Süßegrad der Champagner erhalten soll. Das Spektrum reicht von 0 bis 50 Gramm Restzucker je Liter und mehr und macht somit einen enormen Unterschied. Die meisten Champagner werden jedoch mit einer Zuckermenge von 8 bis 10 Gramm Zucker pro Liter versehen und tragen dann die Bezeichnung "brut“.
Die Süße hilft, den Champagner zugänglicher zu machen und weicher erscheinen zu lassen. Auch das Reifen in der Flasche kann Zucker begünstigen, da seine Moleküle bei der langsamen Oxidation Andockstationen aromabildender Stoffe sein können.
Viele Qualitätswinzer sind jedoch bestrebt, die Dosage zunehmend niedrig zu halten und verzichten teilweise sogar komplett auf die Zugabe von Süße. Dies funktioniert dann gut, bzw. ergibt harmonische Champagner, falls die Grundweine über eine hohe Reife und Aromenintensität verfügen.
Der Versanddosage wird in der Regel auch etwas Schwefel beigefügt, um die Oxidation durch das Öffnen der Flasche in Grenzen zu halten. Überwiegend bei den größeren Produzenten kommt an dieser Stelle jetzt vermehrt auch die Jetting Methode zum Einsatz. Vor dem Verschließen der Flasche wird mithilfe eines Tropfen Weins oder Wassers eine Mikrodosis Schwefel injiziert. Der Tropfen reagiert mit dem Kohlendioxid an der Champagneroberfläche und es entsteht Schaum. Dieser füllt den Flaschenhals aus und schiebt den Sauerstoff aus dem Flaschenhals. Sobald der Hals vollkommen mit Schaum gefüllt ist, wird die Flasche direkt mit einem Korken verschlossen.
Nach dem Verschließen der Flasche mit dem endgültigen Korken und dem zusätzlichen Sichern über den Drahtkorb (Agraffe) sind die Champagner versandfertig. Häufig werden sie jedoch noch für einige Monate beim Winzer gelagert, damit sich die Dosage gut mit dem restlichen Champagner vermischt und er in Summe wieder etwas zur Ruhe kommen kann.